Winsen, am Montag den 18.08.2025

Weniger Bürokratie - mehr Kosten?

von Christiane Bleumer am 11.06.2016


Bettina Schröder- Henning, hier mit ihrem Kollegen Thulfiqar Iqbal, ist Mitglied der Offenen Sprechstunde und ehrenamtlich regelmäßig in der Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge akltiv.

Weniger Bürokratie und eine schnellere Versorgung der Asylsuchenden - das versprechen sich die Befürworter der elektronischen Gesundheitskarte (eGK), die es bisher erst nach 15 Monaten für die Geflüchteten gibt. Erst damit können diese ohne Leistungseinschränkungen das deutsche Gesundheitssystem nutzen. Das Land Niedersachsen hat nun seit dem 1. April eine Rahmenvereinbarung beschlossen und damit den Weg für die einzelnen Kommunen freigemacht, diese Karte den Flüchtlingen sofort zur Verfügung zu stellen. Allerdings mit den gleichen eingeschränkten Leistungen wie vorher, denn es besteht nur ein Anspruch auf Behandlung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen. Trotzdem wäre diese Karte ein großer Fortschritt, sind sich die Ärzte, Therapeuten und Heilpraktiker der Offenen Sprechstunde Lüneburg sicher, die viele Flüchtlinge ehrenamtlich in den Lüneburger Gemeinschaftsunterkünften betreuen.

In einer Infoveranstaltung im Hotel Bergström wurde deshalb kürzlich über die Vorteile der eGK berichtet. Markus Wächter, der Verfasser einer Bertelsmann Studie, die sich mit dem Thema beschäftigt, klärte über den Stand der Einführung in Deutschland auf. Die Stadtstaaten Bremen und Hamburg etwa hätten sich schon dazu entschlossen und berichteten über gute Erfahrungen und auch finanzielle Einsparungen. In Niedersachsen jedoch sei bisher noch keine einzige Kommune beigetreten, so Wächter.

Pablo Rondi, Mitglied der Offenen Sprechstunde und Organisator des Abends, bedauerte dies sehr. Er befürchtet vor allem die Zunahme chronischer Krankheiten, wenn man weiter am bestehenden System festhalte. Bei diesem müssen sich die Betreffenden beim zuständigen Sozialamt einen Behandlungsschein holen und jeden Arztbesuch und den Behandlungsumfang im Vorfeld genehmigen lassen, der Verwaltungsaufwand ist hier nach Ansicht Rondis deutlich höher. Außerdem bemängelt die Offene Sprechstunde, dass Verwaltungsbeamte statt Ärzte über die Notwendigkeit einer Behandlung entscheiden. „Letztendlich muss es doch vor allem um den einzelnen Menschen gehen“, so Rondi.

Angesichts der Kosten, die das Land den Kommunen für die Flüchtlingsversorgung aufbürdet, ist die Stadt Lüneburg jedoch nicht bereit, „…einerseits die Gesundheitskosten teilweise mitzufinanzieren und dann noch den Bürokratieaufschlag der Krankenkassen von 8 Prozent zu übernehmen“, sagt Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge in einer Stellungnahme. Und auch Martin Wiese vom Landkreis bezweifelt die finanziellen Vorteile einer eGK. Das Kostenrisiko läge auf Seiten der Kommunen, ist er sich sicher.

© Fotos: Bleumer


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