Winsen, am Montag den 18.08.2025

Sehnsucht nach Heimat

von Carlo Eggeling am 14.02.2023


Lüneburger Gesichter (42)
In einer lockeren Reihe stelle ich unbekannte Bekannte vor

Den Beitrag findet Ihr auch im aktuellen Quadrat-Heft
Sahar Pahangeh floh vor acht Jahren aus dem Iran. In Lüneburg hat sie eine Heimat gefunden. Doch die Sehnsucht bleibt. Gerade jetzt, wo Frauen das Mullah-Regime erschüttern

Die Revolution im Iran ist auch die Geschichte von Sahar Pahangeh oder anders: Sie ist ein Teil dieser Geschichte. 2014 floh sie aus dem Land vor Gewalt, Kontrolle und einem Leben, das Frauen wenig Rechte gewährt. Sie fühlt mit denen, die für Freiheit auf die Straßen gehen, die das verbohrte, hartherzige Regime der Mullahs abschütteln wollen. Sie malt, sie fotografiert, ganz unterschiedliche Dinge. Doch neben die Ästhetik schiebt sich die Politik. Sie geht auf Demonstrationen wie am Konsulat in Hamburg, fängt die Wut auf den Staat und seine prügelnden Helfer ein, aber auch die Freude, gemeinsam protestieren zu können.

"Dieses Regime spielt eine große Rolle im privaten Leben, jeder ist betroffen", sagt die 37-Jährige. "Warum bin ich hier in Lüneburg? In meiner Heimat akzeptierten mich die Leute nicht so, wie ich bin." Hier sei das Leben anders, freier, "aber mein Herz ist noch dort". So gehe es anderen auch. Wenn Perser zusammenkommen, ob in Hamburg, Berlin oder Lüneburg, "dann sind es meine Leute, es ist ein Miteinander". Die Geschichte jedes einzelnen möge eine andere sein, doch am Ende gebe es eine gemeinsame Geschichte.

Aus der alten Heimat hören sie von arbeitslosen Verwandten, von Hunger, von Verfolgungen: "Es geht um die Existenz. Es ist nicht nur meine Familie betroffen, alle sind unzufrieden. Fast jeden Tag bekommen wir die Nachricht, dass jemand tot ist." Neben dem Fernsehen spiele das Internet eine Rolle, um zu erfahren, was passiert, den Kontakt zu halten. Allerdings müsse man geschickt sein; die Regierung versuche, Kanäle zu schließen: "Wir finden Umwege." Sie glaubt, dass die Herrscher Telefone abhören ließen: "Als ich mit meiner Mutter über Politik gesprochen habe, war das Handy danach eine Woche lang tot."

Ihre Fotos zeigen die Demonstrationen in Deutschland, fangen Trauer, Hoffnung, Kampf ein. Ihre gemalten Bilder, schon ein paar Jahre alt, kreisen um Frauen, zweifelnd, in einem Tanz mit sich selbst, rätselhaft. Wohl auch ein Blick auf die Jahre zurück, in denen Sahar Pahangeh sich mit dem Zeit des Umbruchs und ihren Wurzeln im Iran beschäftigt: "Malen hat mir geholfen, alles auszuhalten und zu leben. Farbe zeigt, es gibt nicht nur schwarz oder weiß."

Aber es gibt einen Wandel. Portraits von Frauen. Auf der Straße, in Kunsthallen und Galerien. Inszenierte Schönheit. Die Frauen wirken kühl, manchmal erotisch, stets selbstbewusst. Dazu gibt es warme Aufnahmen wie von Freundinnen. Freundlich, nah. Sie sagt einen Satz, der nicht nur sie beschreibt: "Frauen sind stark. Auch im Iran, sie tragen die Revolution. Ich bin stolz auf ihren Mut."

Als sie aus Karaj, einem Ort in der Nähe Teherans, ging, waren es nicht nur ein paar Tausend Kilometer, die sie zurücklegte, es war der Weg in ein anderes Leben. Sie ist denen dankbar, die sie unterstützten. So lernte sie Deutsch, machte einen Realschulabschluss: "Ich musste vieles wiederholen, weil meine Zeugnisse im Iran waren." Das war die Grundlage für ihren Berufswunsch, sie absolviert in einem Unternehmen eine Ausbildung als Fotografin: "Das wollte ich von Anfang an."

Da fotografiert sie Produkte, Werbung kann Massengeschmack, gleichwohl Ästhetik bedeuten. Daneben fotografiert sie Hochzeiten, Freunde. Und eben Alltag und Kunst. "Ich beobachte und fange es ein." Daher spricht sie "Leute auf der Straße an, ich habe da keine Angst. Die sagen ja oder nein." Wer sich sehr bewusst anzieht, sich so besonders machen möchte, der versteht sich vielleicht selber als Kunstwerk. Da passt die Kombination dann bestens.

Sie lebt hier, die Sehnsucht bleibt. Ihre Familie habe sie neun Jahre lang nicht gesehen. "Es ist ein Leben zwischen den Welten. Im Iran hat sich vieles verändert, weil die Menschen aufstehen." Sie überlegt einem Moment und sagt: "Ich bin hier zufrieden, aber das Leben geht weiter. Nicht unbedingt in Lüneburg." Vielleicht kann sie die andere Welt, den Iran, wieder besuchen oder so gar bleiben. Die Kamera nimmt sie mit. Carlo Eggeling

Bilder von Sahar Pahangeh

© Fotos: Sahar Pahangeh


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