Pilotprojekt der stadtlandpraxis
von Landkreis Harburg am 26.11.2025„Das hat voll eingeschlagen. Sie hat ihre eigene Sprechstunde – und viele Patienten wollen auch direkt einen Termin bei ihr haben.“ Nicht nur Dr. Markus Jaeger-Rosiny ist von der Tätigkeit von Nadja Heinsen begeistert. Damit setzt er in der Winsener Hausarztpraxis „Hausärzte im Zentrum“ an der Marktstraße ein neues Modell um: Nadja Heinsen ist sozusagen eine neue Spezies, denn die 26-jährige ist angehende Physician Assistant (PA). Dieser relativ junge Beruf, der übersetzt so viel wie „Ärztliche Assistenz“ bedeutet, ist in Deutschland noch eher unbekannt, obwohl er eine wichtige Brücke zwischen Ärzteschaft und Patientenversorgung schlägt – und den Mediziner entlastet. Gefördert wird Heinsens Studium vom Landkreis Harburg.
Die Kreisverwaltung vergibt das Stipendium im Rahmen ihrer Initiative stadtlandpraxis. Bei der Förderung der PA handelt es sich um ein Pilotprojekt. Mit stadtlandpraxis engagiert sich der Landkreis Harburg seit Jahren sehr erfolgreich gegen den Hausarztmangel. Und das aus guten Gründen: „Eine gute Gesundheitsversorgung ist sehr wichtig für die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger und ein wichtiger Standortfaktor, wenn es um die Entscheidung für den Wohnort oder den Unternehmensstandort geht“, betont Kreisrätin Ana Cristina Bröcking.
Bisher wurde die Niederlassung von Ärztinnen oder Ärzten bzw. Medizinstudierenden gefördert – mit Nadja Heinsen nun erstmals auch der neue PA-Beruf. PA ist ein vergleichsweise neuer akademischer Gesundheitsberuf der Ärztinnen und Ärzte in der Patientenversorgung unterstützt – und Dr. Jaeger-Rosiny ist froh über diese Unterstützung. Nach einem dreijährigen Bachelorstudium können PA delegierbare ärztliche Aufgaben übernehmen. So unterstützen sie beispielsweise bei der Anamnese, bei Diagnosestellung oder Untersuchungen – weitgehend eigenständig, aber immer noch dem Arzt oder der Ärztin unterstellt.
„Wenn ein Patient mit Bauchschmerzen kommt, kann Nadja Heinsen gleich die Ultraschalluntersuchung machen, ohne dass ein neuer Termin nötig wird“, nennt Dr. Jaeger-Rosiny ein Beispiel. Eine „riesige Erleichterung“ gebe es auch bei der Bürokratie, wenn die PA beispielsweise die Anfragen zu Schwerbehinderung übernehme. „Die Arbeit wird nicht weniger, aber besser verteilt – und ich hab‘ mehr Zeit für die Dinge, die ausschließlich der Arzt machen kann.“ Nadja Heinsen kann das nur bestätigen: „Das ist eine große Chance, Problemen wie dem Ärztemangel, den langen Wartezeiten auf Termine und dem immer größer werdenden Druck auf die Ärzte entgegenzuwirken.“
Derzeit absolviert Nadja Heinsen das fünfte von insgesamt sieben Semestern – und ebenso wie Dr. Jaeger-Rosiny ist sie froh, die theoretischen Kenntnisse gleich praktisch anwenden zu können. Die Arbeit in der Praxis und auch viele Patientinnen und Patienten kennt die Winsenerin nur zu gut: Sie hat dort ab 2017 zunächst eine Ausbildung als Medizinische Fachangestellte (MFA) absolviert und war auch danach in der Praxis geblieben. „Ich wusste allerdings schnell nach der Ausbildung, dass das noch nicht alles für mich war und ich mehr wollte“, erzählt sie. Doch die MFA-Weiterbildungen waren weitgehend auf Tätigkeiten fern vom Patienten ausgerichtet – wie Praxismanagement, Qualitätsmanagement oder Abrechnung. Doch genau das wollte sie nicht: „Für mich war aber klar, dass ich nah am Patienten bleiben wollte.“ Sie suchte weiter, stieß schließlich auf das noch relativ neue PA-Studium. „Ich hoffe sehr, dass in Zukunft noch mehr angehende PA´s davon profitieren können und wir so die Medizin als Landkreis Harburg reformieren können“, sagt Nadja Heinsen.
Sie will auch nach dem Studium weiter im Winsener Hausärztezentrum tätig sein und in der Praxis die Sprechstunden unterstützen. „Ich bin voller Hoffnung das dies auch bald von den Krankenkassen honoriert wird.“ Denn genau das ist oft eine Herausforderung, weiß auch Kreisrätin Bröcking. Dabei können angesichts des Bedarfs an medizinischer Versorgung auch Physician Assistants eine gute Ergänzung sein. „Der Ärztemangel nimmt gerade in ländlichen Gebieten zu, auch im Landkreis Harburg“, so Bröcking. Viele Patientinnen und Patienten kennen längere Wartezeiten auf einen Termin oder sogar die Schwierigkeit, überhaupt eine Praxis zu finden, nur zu gut. „Daher sind wir bereits 2012 aktiv geworden und haben das Programm stadtlandpraxis mit verschiedenen Fördermöglichkeiten ins Leben gerufen.“ So vermittelt die Initiative beispielsweise Stellen oder Partner für die Niederlassung. Seit 2020 bietet das Programm zudem verschiedene finanzielle Fördermöglichkeiten. Die Niederlassung von Hausärzten wird unterstützt, Fördermöglichkeiten gibt es aber auch für Studierende der Humanmedizin und als Modellprojekt mit Nadja Heinsen auch für PA.
Dieses Engagement zahlt sich aus. Über die Initiative wurden bisher 375 grundsätzlich Interessierte für eine hausärztliche Tätigkeit im Kreisgebiet gefunden. Allein im vergangenen Jahr wurden bereits drei Niederlassungen und vier Anstellungen gefördert, in diesem Jahr vier Anstellungen. Hinzu kommt jeweils ein Stipendium. Für das nächste Jahr sind sechs Niederlassungen avisiert.
Aktuell gibt es 155 Hausarztstellen im Landkreis, 22,5 weitere Hausarztstellen könnten eingerichtet werden. Hinzu kommt: Ein großer Teil der Mediziner ist älter als 50 Jahre, viele gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand. „Wir freuen uns über jede Ärztin und jeden Arzt, den wir unterstützen und für die Tätigkeit im Landkreis Harburg gewinnen können“, betont Kreisrätin Bröcking.
Foto ©Landkreis Harburg / Bildunterschrift:
Kreisrätin Ana Cristina Bröcking und Dr. Markus Jaeger-Rosiny freuen sich über Nadja Heinsens Tätigkeit und das neue PA-Modell.
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