Nun kommen Don William Kerber, Michèl Pauly und Andreas Meihsies mit Verspätung zu Wort.
von Carlo Eggeling am 28.10.2022Der Eindruck ist ein gutes halbes Jahr alt. Im Frühjahr hatte sich ein unterlegener OB-Kandidat mit mir in Verbindung gesetzt, er wollte über Claudia Kalisch reden. Ich habe damals drei „kleine“ Herausforderer gefragt, wie sie das Agieren im Rathaus einschätzen. Damals habe ich den Text liegenlassen. Nun ist Frau Kalisch ein Jahr im Amt. Mit mir reden wollte sie nicht.
Nun kommen Don William Kerber, Michèl Pauly und Andreas Meihsies mit Verspätung zu Wort.
Der Text aus dem März:
Für Claudia Kalisch läuft der fünfte Monat ihrer Amtszeit als Oberbürgermeisterin. Im Wahlkampf hatte sie sich gegen sieben Mitbewerber durchgesetzt. Ich habe drei gefragt, die kaum eine Chance hatten, das Rennen zu machen, wie sie Arbeit der Reppenstedterin im Lüneburger Rathaus einschätzen. Andreas Meihises, saß lange für die Grünen im Lüneburger Rat, war Landtagsabgeordneter, er ging im Streit von den Grünen. Michèl Pauly war für die Linke angetreten, nachdem er sich 15 Jahre für die Partei engagiert hatte, schied er aus und gab sein Ratsmandat zurück -- er kritisiert die Linie der Linken zum Ukraine-Krieg. Don William Kerber besitzt keine politischen Erfahrungen, er startete mit viel Begeisterung und warb für einen freundlichen Umgang untereinander.
"Frau Kalisch macht einen freundlichen Eindruck, das höre ich von Bekanten und Kunden", sagt Kerber, der in der Versicherungsagentur seines Vater arbeitet. "Mit ihren Parolen für eine eine grüne Fahrradstadt hat sie vor allem junge Wähler erreicht. Ich persönlich kann das Thema Fahrrad bald nicht mehr hören, da erwarte ich, dass sich etwas tut. Ein konkretes Datum, wäre schön. Ich selber besitze kein Auto und wünsche mir, dass zentrale Radwege schnell in Ordnung gebracht werden. Doch Lüneburg als reine Fahrradstadt sehe ich nicht. Es gibt Menschen, die älter, die eingeschränkt sind, die eben nicht alles mit dem Rad erledigen können und ein Taxi ist für manchen zu teuer."
Zum Thema Finanzen sagt Kerber: "Dafür, dass sie schon einmal Bürgermeisterin war, dauert es zu lange, bis der Haushalt aufgestellt ist. Woran liegt es, dass es dauert? Wenn es ums Bauen geht, erwartet man angesichts der Mieten Ergebnisse. Auch beim Handel und Tourismus, die von Corona getroffen sind, muss etwas passieren. Ich wünsche mir, dass sie da mehr Gas gibt. Wenn ihr erstes Jahr rum ist, müssen Prioritäten gesetzt sein, und der Fahrplan für die nächsten Jahre muss stehen. Man kann davon ausgehen, dass sie von ihrem Vorgänger Mädge eine funktionierende Verwaltung übernommen hat. Allerdings muss man ihr auch Zeit geben, ihre Anliegen umzusetzen."
Michèl Pauly zählte zu den vehementesten Kritikern Ulrich Mädges, im Rat ritt er immer wieder Attacke gegen die Verwaltung sowie Mädges Führungsstil, der aus seiner Sicht Situationen eskalieren ließ. Er sagt: "Habituell haben sich die Ratssitzungen deutlich entspannt, es geht friedlicher zu und die Verwaltung antwortet sachlicher. Inhaltlich gab es für mich erste Enttäuschungen. Stichwort Jugendzentrum. Grüne und Linke hatten vor der Wahl Anträge gestellt und die Haltung vertreten, dass Jugendzentrum kommunal weiterzuführen. Kurz nach der Wahl wurde auch von der Oberbürgermeisterin anders entschieden. Ich empfinde die Veräußerung des Gebäudes als verheerend, und es kann nicht angehen, dass ein Privater als Träger die Jugendarbeit übernimmt. Zwar gab es entsprechende Beschlüsse des Rates, aber in der Frage der Finanzmittel musste abgestimmt werden. Hier hätten Oberbürgermeisterin und Grüne einfach Mut beweisen müssen, das haben sie nicht getan." Gegen Paulys Position gebt es Einwände: Die Stadt sucht sich auch an anderen Stellen Partner, etwa wenn sie beispielsweise Kindergärten von Kirchengemeinden oder Vereinen betreiben lässt.
Pauly weiter: "Ein zweiter Punkt betrifft die Verkehrspolitik. Die Initiativen hatten das neulich schon aufgegriffen und kritisiert, ihr Missfallen kann ich komplett verstehen. Man hätte ausprobieren können, wie Soltauer und Uelzener Straße als Einbahnstraßen funktionieren. Als die Soltauer Straße Baustelle war, hat sie als Einbahnstraße gut funktioniert. Jetzt ist die Uelzener Straße Baustelle, das hätte man zusammen ausprobieren können. Das passiert aber nicht. Da müsste sich Frau Kalisch stärker einsetzen."
Der Ex-Linke stellt ironisch einen Vergleich an: "Wenn ich sehe, dass es in vier Jahren nicht geklappt hat, einen Parkplatz zu bewirtschaften und mit einer Schranke zu versehen -- damit meine ich die Sülzwiesen -- dann kann man hochrechnen, dass ein größerer Schritt wie eine Verkehrswende 20 bis 30 Jahre dauert. Da ist Frau Kalisch lange nicht mehr Oberbürgermeisterin. Das sich Dinge so lange hinziehen, liegt auch an der Verwaltung und dem Verkehrsdezernenten. Von Claudia Kalisch erwarte ich, dass sie sich sich mit den Strukturen anlegt, um etwas zu verändern."
Pauly setzt nach: "Was wir zudem sehen ist, dass Anträge von anderen und eben von der Linken wie unter der Mädge-Administrationen von den Grünen überaus kritisch betrachtet und abgelehnt oder durch eigene Anträge umformuliert werden. Es wirkt, als kommt es darauf an, wer etwas in den Rat einbringt, es entscheidet nicht der Inhalt. Im Wahlkampf waren Claudia Kalisch und ich uns in vielen Punkten inhaltlich nahe. Jetzt erlebe ich etwas anderes."
Bereits im Wahlkampf zeigte Andreas Meihsies einen sehr kritischem Blick auf die Grünen und ihre Kandidatin. Das hatte sicher auch mit seiner "Trennung" von der Partei zu tun. Meihsies hatte als erster der Aspiranten auf den Verkehrsexperten Prof. Peter Pez gesetzt, der an der Uni seit Jahrzehnten eine Mobilitätsswende beschreibt und in Lüneburg zu den besten Kennern der Materie zählt. Meihsies gibt sich selbstbewusst: "Den Pflock habe ich eingeschlagen, den kann keiner mehr rausziehen."
Er geht mit den gut vier Monaten Claudia Kalischs und ihrer Partei der Nach-Mädge-Ära hart ins Gericht: "Ich bin überrascht von der Mutlosigkeit der Amtsinhaberin und der grünen Ratsfraktion. Schon im Wahlkampf blieb Frau Kalisch mit ihren soften Nachhaltigkeitsparolen an der Oberfläche, mit der Lüneburger Situation war sie nach meinem Eindruck nicht vertraut." Wie auch Pauly verweist er darauf, dass man die Situation an Soltauer und Uelzener Straße hätte nutzen müssen, um -- wie von Pez vertreten -- die Einbahnstraßen-Konzeption auszuprobieren. "Die Initiative Radentscheid hat für die Grünen im Wahlkampf geworben, da hätte sie also einen großen Rückhalt auch für unpopuläre Entscheidungen erhalten."
Und: "Der Versuch hätte kaum Geld, nur Mut gekostet. Dieses Zurückziehen auf Rechtspositionen ist eine Schutzbehauptung fürs Nichtstun. Die Vorschläge von Professor Pez liegen bei Frau Kalisch auf dem Tisch, sie muss nur sagen: Ich will. Der Aufschrei der Verkehrsinitiativen ist daher ein verständliches Signal."
Ein anderes Beispiel sei das Baugebiet Wienebüttler Weg, dagegen läuft ein Normenkontrollverfahren vor dem Verwaltungsgericht. Meihsies plädiert dafür, die Zeit zu nutzen "Die Grünen hatten jahrelang ein verkehrsarmes Wohngebiet gefordert, warum gehen sie es nicht an? Mit einem Stopp des Bebauungsplanes könnte man zu Lasten vom Bau von Einfamilienhäusern den sozialen Wohnungsbau voranbringen -- für Menschen, die wenig Geld in der Tasche haben. 100, 200 Wohneinheiten könnte man mehr rausholen, schätze ich. Mit Mut könnte man bei dieser Frage andere Fraktionen mit ins Boot holen."
Und noch ein harter Schlag: "Die Grünen mit ihrer Oberbürgermeisterin sind die stärkste Fraktion im Rat. Denen rufe ich zu: Macht etwas daraus, sonst steht ihr bei der nächsten Wahl mit leeren Händen da."
Die Fotos zeigen Don William Kerber, Michèl Pauly und Andreas Pauly. Zwei Bilder sind von mir, eins von Pauly.
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