Winsen, am Montag den 18.08.2025

Meine Woche Moral kann auch anders

von Carlo Eggeling am 15.10.2022


Wenn ich von der Finanzierung der Arena lese und höre, fällt mir ein Buch ein, dass gern gekauft wird: 1000 ganz legale Steuertricks. Es wirkt bei der Debatte um Vorsteuerabzug ein wenig, als wolle die eine Behörde der anderen Behörde -- der Landkreis dem Finanzamt -- etwas abluchsen, zwar legal, aber nicht unbedingt legitim. Kreisverwaltung und ein Teil der Politik nehmen eine spezielle pekuniäre Vorbildfunktion ein. Bei einem Konzern würden viele einen Hauch Marx in sich entdecken und zu Kapitalismuskritik auflaufen.



Was nach Hunderttausenden, die man bereits in das Projekt Steuer investiert hat, rauskommen mag, erleben wir. So oder so überrascht. Interessant ist jedenfalls, dass der jetzt tagende Kreistag in einer Vorlage ein Preisschild an die Lüner Rennbahn baumelte: 27,1 Millionen Euro. Kann mehr werden: "Für den Fall, dass sich die Kosten für die Herstellung und Ausstattung der LKH Arena bis zum Vorliegen aller Schlussrechnungen noch verändern sollten, wird eine Preisgleitklausel vereinbart, nach welcher der Kaufpreis gegebenenfalls nachträglich anzupassen ist." Da lesen wir halbamtlich, dass die 30-Millionen-Marke nicht weit weg ist.



Ich glaube immer noch, wenn wie ursprünglich gedacht, ein Investor die Halle hochgezogen hätte, wäre es bei einem Drittel der Kosten geblieben, Sportler wären eher zu Turnieren aufgelaufen. Nun ging es darum, dass der Kreis die Arena in eine eigene Gesellschaft auslagert. Das hat die Stadt bereits vor Jahren mit Kliniken und SaLü mit der Gesundheitsholding getan. Andere Städte betreiben ähnliche Subunternehmen. Kleinere Parteien bleiben bei der Kontrolle außen vor, nur SPD und CDU sind in der Konstruktion vertreten. AfD-Mann Stephan Bothe hat verstanden, dass es auch gegen seine Partei ging: Die neue Betreibergesellschaft kann Parteitage nun mit ihrem Hausrecht ablehnen. Durch die Trennung ist die Kommune raus. In der Vergangenheit unterlag der Kreis vor Verwaltungsgerichten bei einem geplanten Landestreffen der AfD.



Noch eine Erkenntnis bescherte uns diese Woche. Nachdem Politiker Schulsport in die Arena verlegen wollten, um keine weiteren Turnhallen für Flüchtlinge zu beschlagnahmen, erbrachte meine Nachfrage das Ergebnis: "Irrwitzig." Die Halle ist dafür gar nicht ausgelegt, man kann nicht einmal ein Handballtor im Boden versenken, es gibt kein Sportgerät, die Umkleiden würden für zwei Klassen kaum ausreichen, zudem machen dreißig Veranstaltungen bis Jahresende eine Planung fast unmöglich.



Von den Stadt-Grünen erschallte im Rat, so gehe es nicht. 2016 habe Lüneburg Geld dazugegeben mit der Auflage, dass Eleven dort Leibesertüchtigung treiben könnten. Auf Kreisebene waren es auch Grüne, die die Arena immer wieder infrage stellten und jeden Spiegelstrich in Entwürfen und Verträgen hinterfragten. Dass schlussendlich bei dem seit 2016 immer wieder durchgeschüttelten Projekt ein Veranstaltungszentrum mit einer Spielwiese für HSG-Volleyballer übrigblieb, haben sie dabei nicht bemerkt? Hätten sie doch mal ihren wortgewaltigen Landtagsabgeordneten gefragt.



Damit sich nicht nur wieder die Grünen auf den Schlips getreten fühlen, die im Rat aus meinem Beitrag zitierten, aber irgendwie meinen Namen vergessen haben: Die anderen Ratsparteien versäumten es wohl ebenfalls, solche Fragen zu stellen. Einige der Damen und Herren sitzen übrigens sowohl im Stadtrat sowie im Kreistag. Wenn man sich derart viel merken muss, klar, da kann man mal was verdrängen. Kommt selbst beim Bundeskanzler vor.



Heute habe ich ein schönes Bild in der Zeitung gesehen. Da steht ein Bericht über ein 40-Millionen-Loch im städtischen Haushalt neben einer Anzeige mit dem bezeichnenden Titel Räumungsverkauf. So schlimm ist nach mehr als einem Jahrtausend Geschichte um die salzige Herzogin der Hanse bestellt. Jetzt geht bereits so vieles nicht, mal sehen, was die Entwicklung an der Ilmenau künftig noch alles in Stillstand gerinnen lässt.



Es gibt eine Gruppierung die sich Letzte Generation nennt. Wahnsinnig dramatisch, wahnsinnig theatralisch, wahnsinnig anmaßend. Niemand bei klarem Verstand bezweifelt den Klimawandel, aber die Welt geht morgen nicht unter. Es sei Putin will alles final klären. Die Menschheit wird anders leben, aber sie tut etwas gegen ihr Verlöschen, hat sie immer so gehalten. Deiche sind ein Beispiel.



Dass die Propheten des Untergangs jetzt Kunst attackieren, also etwas, dass für einen freien Geist, für Perspektiven für Lust am Leben und Diskussion steht, was soll das? Hat Van Gogh seine Sonnenblumen in Öl gemalt und ist deshalb ein früher Schurke aus der Verbindung Esso, Shell und BP? Glücklicherweise schützte Glas die Leinwand vor Tomatensuppe. Aber: Legitimiert die eigene Moral Barbarei? So wie Taliban, die in Afghanistan anderthalb Jahrtausende alte Buddha-Figuren zerstörten?



Zwei Zahlen finde ich interessant, die ich beim umstrittenen Kollegen Garbor Steingart gelesen habe: "3,5 Milliarden Euro möchte die Regierung in diesem Jahr für den sozialen Wohnungsbau ausgeben. Davon soll der Bau von 100 000 Wohnungen investiert werden. 777 Millionen Euro möchte die Regierung für sich selber ausgeben. Die Bürofläche des Bundeskanzleramtes soll für dieses Geld verdoppelt werden." Ich sage mal so: In der Kaiserzeit klotzte Berlin auch eher als dass es kleckerte. Heute beeindruckt die Architektur. Allerdings könnte nicht nur Berlin ein paar günstigere Wohnungen brauchen.



Die Sonne lächelt, ein freundlicher Herbst. Die Lünertorstraße feiert heute, beste Zeit für Kaffee, Eis, Zwiebelkuchen und vielleicht einen Wein. Selbst die Letzte Generation könnte sich das Herz erwärmen lassen. Es lohnt sich. Carlo Eggeling



Kommentare Kommentare


Zu diesem Artikel wurden bisher keine Kommentare abgegeben.



Kommentar posten Kommentar posten

Ihr Name*:

Ihre E-Mailadresse*:
Bleibt geheim und wird nicht angezeigt

Ihr Kommentar:



Lüneburg Aktuell auf Facebook