Winsen, am Montag den 18.08.2025

LüneburgAktuell hat nachgefragt. Hier die Antwort von Michèl Pauly

von Lüneburg Aktuell am 02.09.2021


Jedem OB Kandidaten und jeder OB Kandidatin habe ich folgende Frage gestellt: Schaffen es nur Reiche auf den Posten eines Oberbürgermeisters? oder “Wes Brot ich ess, des Lied ich sing?“ Viele oder einige Kandidaten und Kandidatinnen für die Position des Oberbürgermeisters müssen ihren Wahlkampf selbst bezahlen. Nach meinen Recherchen können das dann schon mal 50- bis 70.000 Euro sein. Häufig wird da im Wahlkampf über Unabhängigkeit gesprochen. Ist das realistisch oder wird der eine oder die andere gesponsert? Plakate, Anzeigenkampagnen, Zeitaufwand der Helfer, Druckkosten, Werbung Online und in Printmedien und so weiter und so fort. Auf den Tischen der Wahlkampfverantwortlichen müssen sich die Rechnungen sammeln. Wer bezahlt das alles? Darüber hinaus spielt die Zeit eine große Rolle. Wie schafft man das trotz eines Anstellungsvertrages oder einer selbstständigen Tätigkeit? Diese Frage hat einer der Kandidaten selbst ins Spiel gebracht. Für unsere Leser, also die Bürger der Stadt Lüneburg stellt sich generell die Frage nach der Unabhängigkeit? Nicht selten finde ich das Thema in den verschiedenen sozialen Medien und auch in persönlichen Gesprächen wieder. Da diese oder ähnliche Fragen mich vermehrt erreichen, wäre ich dankbar für eine Stellungnahme damit wir die Fragen und natürlich auch die jeweiligen Antworten veröffentlichen können und hoffentlich dürfen.“ Mit freundlichen Grüßen Winfried Machel

Zuerst geantwortet hat Michèl Pauly Die Linken:

„Hallo, die Frage ist sicher berechtigt. Der Aufwand bei meinen Konkurrentinnen und Konkurrenten ist enorm und das habe ich auch noch nicht erlebt. Ich für meinen Teil kann den finanziellen Aufwand meines Wahlkampfes sehr schnell überschlagen: - Plakate (auf wiederverwendbaren Hartfaserplatten, die wir noch im Bestand haben) - 122,69 Euro - Homepageaufwand (ca. 150,- Euro) - Stangebühren - Teilnahme am "Fest der Linken" in Kaltenmoor - Bürokratieaufwand für Wahlen (Anmietung Sitzungsraum zur Aufstellungsversammlung, Formulare) Was ich selbst etwa an Equipment (meine private Kameraausrüstung) nutze habe ich jetzt nicht mit einbezogen. Da ich selbst Hobbyfotograf bin, hatte ich dies eh und nutze sie einfach im Wahlkampf. Ganz genau lassen sich Standgebühren, das Linke Fest, der Bürokratieaufwand usw. nicht von den Parteiausgaben trennen. Vieles wird - ich bin ja ein Kandidat der Partei DIE LINKE - vom Parteikonto aus finanziert.

Die Gesamtsumme meines Wahlkampfbudgets liegtaber überschlägig auch unter Berücksichtigung der Parteiausgaben bei unter 500,- Euro, wobei anteilig der Sitzungsraum, die Homepage und der Plakatdruck die "größeren" Postejn waren, aber jeweils auch nicht über 200,- Euro. Honorare oder ein Wahlkampfstab habe ich naturgemäß nicht. Was ich habe, und darauf bin ich sehr stolz, sind ehrenamtliche Wahlkämpfer die mir bei Designs, Formalien, usw. helfen. Anders geht das für uns auch gar nicht. Für die gibt es aber "nur" ein Dankeschön und die Aussicht auf eine progressivere Politik. Ich muss meinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern sogar noch doppelt und dreifach danken, denn ich bin durch meine private Situation mit leider unvorhergesehenen Belastungen (gemeint ist nicht nur meine Elternzeit, die schon sehr anstrengend ist) einen großen Teil der Zeit ausgefallen, konnte nicht z.B. bei der social-media-Arbeit helfen oder bei der Formulierung der Publikationen für unseren Kreisverband. Das wurde aber sehr gut aufgefangen durch unsere ca. 130 Mitglieder vor Ort, von denen auch viele dutzend, mehr als jemals zuvor, aktiv im Wahlkampf mithelfen. Ich kann wohl sagen: Nie hatte ich so wenig Zeit für Wahlkampf wie jetzt in der Elternzeit. Hätte ich "nur" meine Beschäftigung in Hamburg zu absolvieren (ich arbeite dort 30 Stunden die Woche als Referent für Haushalt, Wirtschaft und öffentliche Unternehmen), hätte ich jeden Tag mehr Zeit gehabt für den Kommunalwahlkampf und hätte Urlaub nehmen können. Aber mir sagte niemand, dass Väter ja weder Feierabend noch Urlaubsanspruch haben. :-) Was mit unserem einem Budget nicht leistbar ist, das ist die professionelle Zuarbeit, ein "Kampagnenteam" das etwa ganze Veranstaltungen aus dem Boden stampft, professionelle Videos, große Werbetafeln oder Zeitungsanzeigen. Und klar, das hat ein stückweit einen Effekt auf die Wahrnehmbarkeit meiner Person, aber ich glaube das hier Kosten und Nutzen in keinem angemessenen Aufwand mehr zueinander stehen bei anderen Kandidaturen. Ich bin übrigens sehr kritisch gegenüber so hohen Aufwendungen. Wer als Kandidatin oder Kandidat mehr als 50.000 Euro in die Erlangung des Amts steckt, der wird - so meine Erfahrung - eine "Legitimation fühlen" dass den Finanziers, seien es Parteimitglieder oder Parteispender, adequate Vorteile Zuteil werden. Das muss gar nicht bewusst gewollt sein, aber dieser Wunsch nach Reziprozität, also denjenigen die einem etwas gegeben haben etwas zurückzugeben, führt oft schon unbewusst zu bestimmten Handlungen. Was das bedeuten kann, schaue man sich etwa in der Verwaltungsspitze an. Insider wissen, dass dort über die vergangenen mindestens zwei Jahrzehnte ein Parteibuch überproportional oft vertreten war und diese Verteilung sich auch kaum mehr durch bloßen Zufall erklären lässt. Gleichzeitig wurden Investoren wiederkehrend in Entscheidungen eingebunden. Auch in diesem Wahlkampf erlebe ich, wie eigentlich politische Entscheidungen für bestimmte private Partner Vorfestlegungen erfahren. Sei es der geplante Ankauf des Karstadt-Parkhauses, sei es die Vergabe der Jugendarbeit an einen privaten Träger. All dies sind eigentlich politische Entscheidungen des Rates. Gleichsam erleben sie aber dieser Tage eine Vorfestlegung durch zumindest eine Kandidatin. Auch das persönliche Einkommen als OB ist ja nicht fix. Es gibt zwar die feste Besoldung (B7 nach Besoldungsgruppe, das sind etwas unter 11.000 Euro) aber es gibt auch mit dem Amt im Zusammenhang stehende Nebentätigkeiten. Davon einige bezahlt. Dazu können zählen die Verhandlungsführung für den TvÖD, dazu, das Präsidium des Städtetags, der Verwaltungsrat Sparkasse, der Verwaltungsrat NordLB (hier Gerüchten zufolge eine sehr hohe Summe), diverse Aufsichtsräte, darunter auch im E.ON-Konzern. Die Aufnahme einer solchen Tätigkeit bedeutet auch immer und notwendigerweise auch eine Identifizierung mit den dahinterstehenden Interessen. Dies als nicht immer vereinbar mit den öffentlichen Interessen zu erkennen und die moralische Implikation dahinter zu erkennen, ggf. gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung zu arbeiten, nimmt meiner Überzeugung nach mit dem Budget ab, das für die Erlangung des Amts eingesetzt wurde. ("Schließlich habe ich auch viel in das Amt investiert.") Insofern stellen Sie die völlig richtige Frage: Wie unabhängig ist eine Kandidatin oder ein Kandidat, die oder der solch ein Budget in den Wahlkampf einbringt? Ich befürchte jedenfalls, eine Kandidatin oder ein Kandidat mit solch einem (fremdfinanzierten) Wahlkampfbudget würde in das Amt starten mit einem großen Balast, bestehend aus impliziten oder expliziten Versprechungen wie das Amt dann und zu wessen Gunsten es ausgeführt wird. Ich bin deswegen ziemlich froh dass an dieser Stelle meine Partei die Grundsatzposition vertritt, keine Spenden von Unternehmen auch nur anzunehmen. Das immunisiert gegen solche Einflüsse jedenfalls ein stückweit. Eine Kandidatur die behauptet dass die Herkunft des eigenen Wahlkampfbudgets keinerlei Einfluss auf das eigene Handeln habt, betrügt wahlweise uns alle oder aber sich selbst. Ich hoffe einiges zur Aufklärung beigetragen zu haben. mit freundlichen Grüßen, Michèl Pauly

© Fotos: Privat


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