Winsen, am Montag den 18.08.2025

LoCarlo: Gewählt, verwählt

von Winfried Machel am 10.10.2022


Sieben Abgeordnete können künftig Anwälte der Region sein. Hoffentlich sind sie das

Für Pascal Mennen lief es knapp, am Ende lagen 13 566 und damit 315 Stimmen mehr bei ihm als bei Andrea Schröder-Ehlers. Grün schlägt Rot. Wieder einmal in Lüneburg. Es ist eigentlich erstaunlich, dass es nicht noch eindeutiger ausging. Die Uni mit ihrem großen Paket des ökologischen Wandels, dem Lastenrad- und Gender-Idyll, hat die Stadt im vergangenen Vierteljahrhundert verändert. Wenn man so will, die Ernte der Sozialdemokratie, denn es waren vor allem SPDler, die der tief roten Pädagogischen Hochschule den Weg in diese Zukunft möglich machten.

Mennen, schwiegersohnfreundlich und frisch, überall präsent und in der Zeitung mehr als wohl gelitten, er durfte sich speichen-tauglich mit dem Porsche-Fan und Chefredakteur der Auto-Bild fast kuschelnd austauschen, hat der erfahrenen Andrea Schröder-Ehlers das Mandat abgenommen. Erfahren kann auch heißen: zu wenig Veränderung, zu sehr festhalten an Altem und zu wenig Attacke. Wer glaubt, der Wähler möchte keinen Krach, der mag für einen großen Teil Recht haben. Aber die anderen, die man erreichen könnte, erwarten den Streit, der deutlich macht, wofür man steht und wofür eben auch nicht.

Uwe Dohrendorf hat das im Osten des Landkreises und in Lüchow-Dannenberg klar gemacht. Jäger, im Landmann-Dress, krachend laut im Porsche und bei Tiktok mit Sprüchen, für die das so gern zitierte Grünen-Bashing noch eine freundliche Bezeichnung ist. Er holt ein besseres Ergebnis als seine Partei, die CDU. Selbst wenn die SPD mehr Zweitstimmen zusammenbekommt als die Christdemokraten, macht der dröhnende Dohrendorf das Rennen. Er scheint besser verwurzelt. Was übrigens auch für die Grüne Miriam Staudte gilt, die im selben Wahlkreis an der Elbe besser abschneidet als ihre Partei.

Im Lüneburger Land steht Philipp Meyn vorn. Sportler, aufgewachsen auf dem Dorf, Lehrer, einer mit dem man schnacken kann. Bodenständig. Unverbraucht. Gern im Ausgleich. In den Samtgemeinden kommt das gut an an. Da zeigt die SPD, wie gut sie verankert ist. Eben auch, weil sie in Gemeinderäten und Rathäusern ein solides Fundament besitzt. Davon profitiert Meyn.

Die AfD. Was will man da sagen. Die Partei, die in Kaltenmoor in einem Wahllokal mehr Stimmen holt als die anderen. Eine Partei, deren Landtagsfraktion sich zerlegt hat, die mit Vorwürfen leben muss, dass Landtagskandidaturen käuflich sind, die der Verfassungsschutz im Blick hält, deren Nähe zum äußersten rechten Spektrum augenscheinlich ist. Deren Verteidiger unermüdlich behaupten, die AfD sei eine demokratische Partei. Wenn man Herrn Höcke zuhört, wirkt es nicht so, also ob er die Bundesrepublik in ihrer pluralistischen Form erhalten möchte, in der jeder ziemlich viel Meinung äußern kann, ohne wie in Russland in einem Lager zu landen. Stefan Bothe aus Amelinghausen zieht für die Rechten wieder in den Landtag ein, einer der in den Parteireibereien mittendrin steckte. Dem Wähler offensichtlich egal.

Anna Bauseneick von der CDU schafft es über ihren Listenplatz in den Landtag. Ein junges Gesicht. Vielleicht das Gesicht, dass der angegrauten und im Lüneburger Rat inzwischen blassen konservativen Truppe mehr Schwung schenken könnte. Gegen einen reiferen Mitbewerber hatte sie sich bei der Kandidatenkür durchgesetzt. Das spricht dafür, dass manche auf frischen Wind warten.

Pascal Mennen, Detlef Schulz-Hendel, Miriam Staudte, alle grün, Philipp Meyn (SPD), Anna Bauseneick, Uwe Dohrendorf, beide CDU, und Stefan Bothe von der AfD. Eine vielstimmige Gruppe. Sieben Abgeordnete, die sich hoffentlich als Anwälte der Region verstehen und nicht lediglich als Fachpolitiker, die in kleinsten Runden zwar wichtig sein mögen, aber eben nicht als Vertreter ihrer Bürger.

Selbstverständlich gilt es, Fördertöpfe zu kennen und anzuzapfen, um Projekte vor Ort anzuschieben, sei es, um die Innenstadt am Leben zu halten und ihren Wandel voranzubringen, sei es, um aus ehemaligen wieder aktive Bahnstrecken zu machen. Was aktuell an Bundes- und Landesmitteln für vieles hier fließt, beruht auf der Arbeit von denen, die damit vor Jahren begonnen hatten. Da braucht es tatkräftige und entscheidungsfreudige Nachfolger und Nachfolgerinnen, die eine Vision besitzen und nicht bloß Gestanztes aus dem Nachhaltigkeitsseminar.

Dringend nötig. Denn weder Landrat Jens Böther (CDU) noch Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch (Grüne) gelten landespolitisch als sonderlich einflussreich. Das war einmal anders, da reagierten Ministerpräsident und Minister schon genervt, wenn das Wort Lüneburg fiel, aber es passierte etwas. Kann ja wieder so werden. In Berlin versucht es Jakob Blankenburg, der eng mit seinem SPD-Parteifreund Kevin Kühnert ist, von der Grünen Julia Verlinden, immerhin im Fraktionsvorstand, ist lokal wenig zu vernehmen.

So wie es aussieht, werden Rot und Grün zusammengehen und die Regierung in Hannover stellen. Dann wären vier lokale Abgeordnete quasi auf Seite der Regenten. Detlef Schulz-Hendel zum zweiten Mal, er kann zeigen, wie aus wortgewaltigen Forderungen realistische Projekte werden.

Interessant, wie Sozis und Öko-Bourgoisie lokal künftig miteinander umgehen. Bisher beharken sie sich im Rat sehr gern und reißen am Schorf alter Wunden. Vielleicht können die Jungen die alten Haudegen und Basta-Ihr-anderen-seid-alle-doof-Protagonisten ein wenig einhegen.

Mal sehen, ob nicht vielleicht Lockrufe aus Hannover erschallen, die lokale Akteusen Versprechen amtskettenlanger Treue vergessen lassen. Staatssekrektäre, gar Ministerposten und Führungsämter in Regierungsvertretungen wollen besetzt werden. Das wäre was, wenn man ein Amt verloren hat oder den Posten nicht so gut ausfüllt, wie erwartet. Carlo Eggeling

© Fotos: Carlo Eggeling


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