LoCarlo berichtet über ein m.E. ziemliches Durcheinander
von Winfried Machel am 29.05.2022Keiner da, keiner kommt. Oder umgedreht
Es sollte eine Belebung der Innenstadt sein. Doch irgendwie wurde es nichts. Warum? Verantwortlich ist niemand
Das Ganze erinnert ein bisschen an die Tauben-Debatte: Die sollen mit Futter angelockt, dann in Schläge gelockt werden, damit man ihn die Eier klaut, um am Ende weniger von den fliegenden Plagegeistern zu haben. In Lüneburg fehlen bislang ausreichend Ställe, so werden es immer mehr Tauben. Irgendwie blöd gelaufen. So scheint es auch mit dem "Innenstadtdialog" an der Kuhstraße zu laufen: Man macht nur die Hälfte und wundert sich, dass der Schwung fehlt. Ironie der Geschichte: Aus den Räumen sollte der Leerstand in der Stadt bekämpft werden, nun herrscht dort gähnende Leere.
Vor ziemlich genau einem Jahr hatte der damalige "Innenstadt-Kümmerer" Christoph Steiner den Laden mit seinem Team eröffnet. Die Idee: Eine Informationsbörse, die leerstehende Läden einfacher vermitteln sollte, bei der man Ideen und Fragen loswerden konnte bei einem Kaffee und Ansprechpartnern mitten in der Stadt. Der ehemalige LZ-Chefredakteur Steiner und eine weitere Kollegin sind nicht mehr da, seine Stelle wurde nach dem Wechsel an der Rathausspitze zunächst gekürzt, er hatte gesundheitliche Probleme, nun ist der Job gestrichen. Eine Kollegin, die lange für die Lüneburg Marketing Gesellschaft arbeitete, hat das Haus verlassen, und das Büro ist geschlossen.
Es habe sich nicht gelohnt, es sei kaum jemand gekommen, heißt es unisono aus dem Rathaus und von der LMG. Demnächst ziehen dort Künstler ein. LMG-Chefin Melanie-Gitte Lansmann freut sich darüber, so würden die Räume sinnvoll genutzt.
Nur mit dem ursprünglichen Zweck hat das wenig zu tun, und teuer ist es obendrein. Frau Lansmann argumentiert: "Ich habe die Verträge nicht unterschrieben, aber wir tragen die Kosten." Die liegen nach meinen Informationen bei einer monatlichen Kaltmiete von gut 2000 Euro plus Nebenkosten, der Verrtag läuft bis ins nächste Frühjahr.
Die angeblich aufopferungsvolle Rolle der LMG kann man auch anders sehen. Denn die Stadt hat ihren Zuschuss für die LMG jährlich um 200 000 Euro erhöht. Die Jahresmiete dürfte zwischen 30 000 und 40 000 Euro liegen, bleibt einiges über. "Das Geld fließt für den aufgestellten Wirtschaftsplan inklusive aller anfallenden Mieten", antwortet die Pressestelle des Rathauses auf eine entsprechende Anfrage. Das hätten Rat und Verwaltung so auf den Weg gebracht. Da der Haushalt noch nicht genehmigt sei, müsse die geänderte Vereinbarung noch einmal beschlossen werden. Misslich: Eigentlich sollte alles aus Fördermitteln des Landes bezahlt werden, doch die kamen nicht. Gleichwohl hat die Stadt ein eigenes Corona-Programm aufgelegt.
"Wenn da niemand sitzt, geht auch niemand rein", heißt es von Kritikern. Und so schlecht sei die Nachfrage zu Steiners Zeiten nicht gewesen. Das Angebot eines Büros mitten in der Stadt sei richtig: "Wer kommt denn in das abgeschlossen wirkende Rathaus? Man braucht niedrigschwellige Angebote." Auch sollten dort Kollegen aus dem Rathaus und der LMG sitzen. Das wäre zum Beispiel beim sogenannten Leerstandsmanagement sinnvoll gewesen, denn aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen diese Informationen quasi nur behördlich verwaltet und genutzt werden -- um dann zu vermitteln.
Das nächste Problem: Für die Programme der Innenstadtbelebung sind verschiedene Fördertöpfe angezapft worden beziehungsweise sollen beansprucht werden. Ein Kernbaustein dafür ist ein Ort der Begegnung; fällt die Kuhstraße weg, muss ein neuer her. Noch soll es aber keinen geben. Was wird dann aus den Zuschüssen?
Die Kuhstraße passt offenbar nicht ins Konzept von Frau Lansmann, sie sagt, für ihre Abläufe sei es nicht gut, dass es mehrere Standorte gebe: Tourist-Info im Rathaus, Büros an der Wallstraße und die Außenstelle an der Kuhstraße. Alles wenig förderlich für die Zusammenarbeit: "Wir müssen konzentriert und sichtbar sein." Aus dem Rathaus heißt es lapidar: Die Mitarbeiter seien zu erreichen. Etwas schlechter inzwischen, das zeigt ein Blick: Deren Telefonnummern sind aus den Schaufenstern an der Kuhstraße verschwunden.
Zur Erinnerung: Ursprünglich saß die LMG an der Waagestraße, die Tourismusbetreuung vis-à-vis. Einem Vorgänger Frau Lansmanns war das nicht chic genug, Umzug an die Wallstraße. Nun sucht Frau Lansmann etwas Repräsentatives, am liebsten mitten in der Stadt. Doch das ist rasend teuer, und dem Vernehmen nach soll es schwer sein, dafür eine Förderung einzuheimsen.
In Hochzeiten der Pandemie hatte der damalige Oberbürgermeister Ulrich Mädge ein Programm angestoßen, um die Innenstadt zu beleben. Inzwischen stehen mehr als 30 Läden leer. Neben dem Innenstadtkümmerer als Mann vor Ort, der beispielsweise eine Verbindung zu Vermietern aufbaute, und dem Standort an der Kuhstraße war ein Innenstadtbeirat aus dem Handel ein Mittel der Wahl.
Während Teilnehmer aus Arbeitskreisen sagen, aus ihren Ideen sei wenig geworden, wertet man im Rathaus anders: "Die bisher erarbeiteten Ergebnisse wurden aufgegriffen und bei den Planungen der LMG sowie der städtischen Maßnahmen im Bereich Innenstadt (auch in Bezug auf Fördermittel) berücksichtigt. Dies wurde von der Hansestadt auch stets in die Runde kommuniziert. Auf die AG Digitalisierung wird der neue Kollege Carl-Ernst Müller zeitnah zugehen und die bisherigen Ergebnisse aufgreifen sowie besprechen. Der Innenstadtbeirat hat zuletzt am 23. März getagt. Die Sitzung im Mai kam nicht zustande, da parallel mehrere andere Veranstaltungen in der Stadt stattfanden und möglichst vielen Mitgliedern die Teilnahme ermöglicht werden sollte. Die nächsten Termine sind Anfang Juni und Anfang Juli." Es soll dafür, so erzählt man es sich, intensiv geworben worden sein, sonst hätte es wohl keinen Termin im Juni gegeben.
Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch ist auch Vorstandsvorsitzende der LMG. Als Oberbürgermeisterin müsste sie ein Interesse haben, dass die LMG möglichst viel im Sinne der Stadt erledigt und das für überschaubar viel Geld, als LMG-Aufseherin wiederum müsste sie die Kosten drücken, die ihre Gesellschaft hat. Ist das ein Problem? Nein, heißt es aus dem Rathaus: "Es gibt hier keinen Rollenkonflikt. Ebenso wenig wie es diesen gab, als andere Vertreterinnen der Hansestadt im Aufsichtsrat der LMG den Vorsitz hatten." Und: "Die Hansestadt Lüneburg und die LMG ziehen an einem Strang, auch und gerade in punkto Innenstadtentwicklung. Jede der beiden Institutionen trägt dazu das bei, wo ihre Zuständigkeiten, Kompetenzen, rechtlichen, finanziellen und personellen Möglichkeiten liegen." Intern empfindet das nicht jeder so.
Carlo Eggeling
Fotos: Nun ein Kunststall für Kunst, das soll in dieser Woche offiziell verkündet werden. Vor einem Jahr hatten Christoph Steiner und seine Mitstreiter Wenke Schwarck und Jens Kullin einen anderen Auftrag. Zwei machen nicht mehr mit, das Zentrum ist seit Wochen verwaist.
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