LOCARLO: Aufgespießt Süß, so süß
von Winfried Machel am 17.04.2022Vor Jahren war die Denkmalpflege noch kleinlich. Da stritt man sich um Markisen, am Schrangenplatz um die Farbe von Fensterrahmen, es gab Unmut, als Palmen sich im Wind wiegten. Besonders massive Blumenkübel und eine im Hochsommer sprühende Wasseranlage an der Schröderstraße mussten verschwinden. Auch eine Elektro-Bimmelbahn hatte aus wuchtigen Gründen keine Chance angesichts der Kulisse stolzer Treppengiebel. All das passe mal so gar nicht zur Geschichte der mehr als tausend Jahre alten Stadt.
Inzwischen scheint die Denkmalpflege so agil wie müde Zeitgenossen beim Mittagsschlaf; es geht vieles, was jemanden wie den langjährigen ALA-Vorsitzenden Curt Pomp und seine Mitstreiter, aber eben auch Bauamt und Rathausspitze auf die Zinne getrieben hätte. Tempi passati, da hat sich etwas gedreht: Ein neuer Geist des Machbaren hat Einzug gehalten. Nach Gefängnisgittern zwischen Sand und Glockenhof bewundern wir eine neue Touristenattraktion an der Brausebrücke: ein ulkiger Stand einer "Softeismanufaktur", was immer das sein mag, wenn Eis aus einer Maschine quillt.
Der Kasten, umrahmt von einem knalligen Bodenbelag, macht sich bestens auf Fotos, die Lüneburg-Besucher täglich hundertfach an einer der schönsten Aussichten auf das Wasserviertel schießen. Endlich weiß jeder, wofür das moderne Lüneburg steht: Salz ist out, die Stadt ist so süß wie die Zuckerlangeweile Uelzen. Welch ein Kulturwandel: Softeis aus der Bretterbude. Mehr geht nicht. carlo
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