Winsen, am Montag den 18.08.2025

LoCarlo: " vom Sozialismus lernen heißt Siegen lernen"

von Winfried Machel am 27.08.2022


Meine Woche
Waschlappen

Nicht alles an der DDR war schlecht. Der Mangel hatte sein Gutes, im Sozialismus konnte man Sparen lernen. Ach was lernen, Sparen war ein Muss. Was zwischen Stralsund und Suhl galt, können wir heute auf die gesamte Republik übertragen. Bloß kein Quentchen Strom vergeuden, kein Grad überflüssig verheizen. In den späten 1950er Jahren sauste die Comicfigur Wattfraß nicht nur durch die ostdeutschen Kinderzimmer. Die jungen Pioniere, eine staatliche Jugendorganisation, achtete darauf, dass Bügeleisen, Tauchsieder und -- wenn vorhanden -- Waschmaschinen am frühen Abend eine Stunde lang möglichst nicht eingeschaltet wurden. Das Netz hätte zusammenbrechen können. Mit einem teuflischen Dreizack machten die Jungsozialisten dem Wattfraß den Garaus. Sein Vorbild hatte der Kobold übrigens in einer anderen sozialistischen Phase Deutschlands. Da stand noch das Wort national davor, es ging um Kohlenklau.

Heute gehört Sparen zur Staatsraison. Wir hören, dass Minister und Ministerpräsidenten weniger duschen, sich nur kalt abbrausen oder gar auf den Waschlappen setzen. So viel Teilhabe des Volkes am Menschlich-politischen war selten. Glücklicherweise. Stellen Sie sich vor, wir erfahren in dieser Angelegenheit noch mehr.

Nun sparen wir also allerorten. Das ist toll. Heute tagt die Oberbürgermeisterin mit Dutzenden anderen in der Leuphana, um über den Weg durch den Winter zu beraten. Gleich mal vorweg: Weihnachtsstadt Lüneburg? Geht gar nicht. Wer will verantworten, dass Giebel im Licht erstrahlen, Künstler Rathaus und Kirchen illuminieren? Schmalzkuchen und Pommes im heißen Friteusenfett -- Selenskyj, steh' uns bei.

Seit längerem schränkt die Verwaltung ihre Öffnungszeiten ein etwa im Bauamt. Von wegen Personalmangel. Man muss das vorausschauend und positiv nehmen, wenn nicht gebaut werden kann, braucht niemand Energie für Maschinen und Material. Sinnvoll selbstverständlich, die Bürotemperatur auf 19 Grad abzusenken, auch wenn die Arbeitsstättenverordnung 20 Grad vorschreibt. Wer erkältet zu Hause bleibt, dreht am Arbeitsplatz keine Heizung an. Bei 40 Grad Fieber zu Hause steht der Thermostat auf Null. Homeoffice ist sowieso das Beste: keine Autofahrt oder ein Ritt auf einem stromfressenden E-Bike. Gewerkschaften und Betriebsräte halten jetzt mal die Klappe. Übrigens ein Punkt für die Verlängerung des Neun-Euro-Tickets fehlt noch: In übervollen Zügen braucht es keine Heizung.

Da Schule ein Hort kritischen Denkens ist, freuen wir uns auf die Debatte um Corona-Lüftungsgeräte. Eltern und Schülerräte forderten im vergangenen Jahr Luftfilter, Fenster zu öffnen, galt als furchtbar, weil kalt. Bleiben die Püster -- trotz Corona -- künftig aus? Kann man Kindern und Jugendlichen zumuten, Pullover zu tragen? Ich sage nur, was ich wie heute wieder in den Kommentarspalten und im Fernsehen erklärt bekomme: In der Ukraine leiden sie ganz anders.

Die ist inzwischen das Maß aller Dinge. Deshalb sind selbstverfreilich alle zum Verzicht bereit, wenn Berlin und Lokal-Besorgte die Dramatik der Lage beschreiben. Also theoretisch. Es ist einfach Zufall, dass gerade jetzt zu Hause so viele Heizlüfter kaputtgehen und Nachschub her muss. Holzeinkauf stand eh an, aufgrund der günstigen Preise etwas mehr. Das hat mit Hamstern nichts zu tun. Außerdem soll es ökologisch wertvoll sein.

Die Argumentation klingt einleuchtend: Bäume speichern CO2, sie geben also nur das ab, was da war. Allerdings greift weitergedacht ganz wunderbar diese Logik: Kohle entstand aus Bäumen und Pflanzenresten, gepresst in Jahrmillionen unter der Erde. Wenn sie glimmt, setzt sie sozusagen prähistorisches CO2 frei. Kann das schlimm sein?

Neulich lief im Fernsehen ein Beitrag mit Deutschlands Oberförster Nummer 1, Peter Wohlleben, der warnte vor Pelletheizungen und Ofenwärme: Es werde mehr Holz aus dem Wald entnommen, als ihm gut tue, es werde reichlich CO2 freigesetzt. Dazu kommt die Feinstaubbelastung, vor der das Bundesumweltamt warnt. In manchen Vierteln gefährlicher als Autoabgase. Alles in allem ist es ziemlich daneben, den Wald für wohlig warm zu nutzen. Lieber drei Norwegerpullover übereinander.

Alles kleinlich. Es geht darum Zeichen zu setzen, ob das viel bringt oder nicht. Wie gesagt, der Sozialismus hatte auch sein Gutes, der Mangel hat beim Sparen geholfen. Der Wattfraß-Kobold könnte Ost und West ermahnen. Und die anderen weichen aus. Ich habe mir erzählen lassen, dass wieder mehr Menschen zum Sport gehen. Nicht unbedingt der Bewegung wegen, sondern weil sie dann in der Turnhalle duschen können. Das spart und beschert so ein schönes Gemeinschaftsgefühl. Solidarität unterm Brausekopf bei 15 Grad. Zur Not leihen wir uns die Waschlappen gegenseitig aus.

Natürlich gibt es Probleme, gut, dass sich Herr Habeck darum kümmert, für flammende Reden ist vor allem seine Kollegin zuständig, die immer so empört gucken kann. Was wirklich kommt, wissen wir nicht. Prognose sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen, soll der Realpolitiker und britische Premier Churchill gesagt haben, der einen klaren Kurs gegen Nazi-Deutschland fuhr.

Fangen wir bei uns an. Alle Stand-by-Geräte nachts aus, statt E-Bike selber strampeln, Licht aus, wenn wir Räume nicht nutzen. Gucken, wann die Waschmaschine läuft. Vom Sozialismus lernen, heißt siegen lernen. Der Kobold Wattfraß hat wieder eine Anhängerschaft. Carlo Eggeling



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