Ein bewegtes Jahr
von Winfried Machel am 21.12.2023Landrat Rainer Rempe blickt auf 2023 zurück / Auch in 2024 warten viele Herausforderungen
Kriege und Krisen, leere Kassen und steigende Kosten – 2023 war ohne Frage ein herausforderndes Jahr. Für uns als Kreisverwaltung war in den zurückliegenden zwölf Monaten ganz sicher die Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung eines der wesentlichen Themen. In dieser Zeit wurden dem Landkreis Harburg knapp 1.700 Personen zugewiesen. Unter großer Kraftanstrengung und in enger Abstimmung mit den Kommunen ist es gelungen, diese Menschen aufzunehmen. Mein Dank geht an dieser Stelle an die Städte, Gemeinden und Samtgemeinden im Kreis, vor allem aber auch an alle Ehrenamtlichen, die sich vor Ort für die Integration der Geflüchteten einsetzen.
Deutlich mehr Unterstützung hätten wir uns hingegen vom Land Niedersachsen gewünscht. Ich kann auch an dieser Stelle das Land nur noch einmal auffordern, einen Betrag für die Unterbringung der Geflüchteten zu zahlen, der den tatsächlichen Gegebenheiten im Landkreis Harburg entspricht. Es ist nicht akzeptabel, dass wir jedes Jahr 10 bis 15 Millionen Euro für die Wahrnehmung dieser Aufgabe aus eigenen Haushaltsmitteln aufbringen müssen.
Die angespannte Haushaltslage wird auch dadurch erheblich erschwert, dass der Bund seiner gesetzlichen Verantwortung bislang nicht nachkommt, die Betriebskosten der Krankenhäuser zu übernehmen sowie den notwendigen Inflationsausgleich zu leisten. Daher waren wir in diesem Jahr gezwungen, den Betrieb unserer Krankenhäuser mit Zuschüssen in Höhe von rund 17 Millionen Euro abzusichern. Für 2024 sind hierfür weitere 15 Millionen Euro eingeplant.
Die Prognosen bieten bislang wenig Grund für Optimismus: Für das kommende Haushaltsjahr gehen wir von einem Defizit von rund 27 Millionen Euro aus. Die Gesamtsituation zwingt uns, an vielen Stellen den Rotstift anzusetzen, viele Vorhaben und Projekte wurden und werden auf den Prüfstand gestellt. In der letzten Sitzung in diesem Jahr hat der Kreistag außerdem die Anhebung der Kreisumlage um 3 Prozentpunkte beschlossen. Die wesentlichen Stellschrauben, um wieder zu einem positiven Haushaltsergebnis zu kommen, liegen jedoch nicht in unserer Hand. Die Kreispolitik hat sich daher dafür ausgesprochen, die Erfolgsaussichten einer Klage gegen Land bzw. Bund wegen der Kosten für die Flüchtlingsunterbringung bzw. der Unterfinanzierung der Krankenhäuser zu prüfen.
Große Wogen schlug in 2023 auch die Diskussion um die geplante Neubautrasse der Deutschen Bahn von Hamburg nach Hannover, die immense Nachteile für die Region – wie zerstörte Naturräume und erhebliche Einschnitte in die Lebensqualität vieler Menschen – bedeuten würde. Gemeinsam mit zahlreichen Bürgermeistern und den Landtags- und Bundestagsabgeordneten aus der Region habe ich mich stattdessen für die längst überfällige Umsetzung des Alpha E-Kompromisses und damit den Ausbau der bestehenden Strecke stark gemacht. Der breite Protest in der Region scheint Erfolg zu haben: Das Bundesverkehrsministerium und das Land Niedersachsen planen, wesentliche Teile von Alpha E im Rahmen einer Generalsanierung der Bestandsstrecke im Jahr 2029 umzusetzen. Erst im Anschluss kann entschieden werden, ob weitere Streckenkapazitäten benötigt und weitere Maßnahmen erforderlich werden.
Auch der Landkreis selbst hat in diesem Jahr in seine Infrastruktur investiert und zahlreiche Kreisstraßen sowie Radwege erneuert. Abgeschlossen wurden der Neubau des Kreisels am Nordring in Buchholz sowie des Kreisels an der Kreuzung Horster Landstraße/„Unner de Bult“. Zu einer Verzögerung kommt es leider beim Bau des Kreisels am sogenannten Preußenhut in Bendestorf. Hier konnten u.a. die Asphaltierungsarbeiten witterungsbedingt nicht ausgeführt werden, sodass sich der Abschluss der Baumaßnahme verschiebt.
Doch nicht nur in Straßen haben wir investiert, auch die weitere Verbesserung des ÖPNV ist ein wichtiges Ziel. So haben wir einen durchaus ambitionierten Entwurf des Nahverkehrsplans bis 2029 auf den Weg gebracht. Wir streben eine höhere Taktfrequenz auf stark frequentierten Verbindungen ebenso an wie eine Stärkung der On-Demand-Bedarfsverkehre. Umso erfreulicher ist, dass sich der On-Demand-Shuttle elbMobil, der in Winsen und der Elbmarsch unterwegs ist, immer größerer Beliebtheit erfreut. Die Nutzerzahlen steigen kontinuierlich, ebenso die Zahl der Fahrten, bei denen weitere Personen zusteigen. Das entlastet nicht nur den Verkehr, sondern ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz. Nicht nur erfolgreich, sondern auch preisgekrönt sind seit diesem Jahr zudem unsere Shuttlebusse: Der Heide-Shuttle, der Elb-Shuttle und der Regionalpark-Shuttle wurden als gelungener Beitrag zur Verbesserung der aktiven Mobilität im Bundeswettbewerb „Gemeinsam aktiv. Mobil in ländlichen Räumen“ ausgezeichnet.
Ebenfalls ein Vorzeigemodell ist das bundesweit einmalige Projekt „Königsberger Straße“ im Freilichtmuseum am Kiekeberg, das in diesem Sommer fertiggestellt und feierlich eröffnet wurde: Das Projekt hat eine Bedeutung weit über den Landkreis hinaus. Die Königsberger Straße macht nicht nur ein Stück Landkreisgeschichte erlebbar, sondern steht beispielhaft für die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungen nach 1945 in ganz vielen Orten der Bundesrepublik Deutschland.
Ein Leuchtturmprojekt in wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht ist der TIP Innovationspark Nordheide, wo im August der offizielle Startschuss für das 5G-Campusnetz fiel – immerhin eines der größten und flexibelsten Freiraum-5G-Campusnetze in ganz Europa und gleichzeitig Reallabor und damit einzigartiges Versuchsfeld für Zukunftstechnologien. Für den Landkreis Harburg als wachstumsstarke und gründerfreundliche Wirtschaftsregion ist der TIP Innovationspark Nordheide mit seinem 5G-Campusnetz absolut zukunftsweisend. Unser Ziel dabei ist auch, den Anteil wissensbasierter Arbeitsplätze im Landkreis zu stärken.
Gleichzeitig sind viele Unternehmen im Landkreis Harburg auf der Suche nach Fachkräften und Auszubildenden. Um Unternehmen, Schulen und Absolventinnen und Absolventen stärker zu vernetzen und den erfolgreichen Übergang von Schule in den Beruf zu fördern, engagiert sich die Kreisverwaltung gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft, Schulen und Institutionen auf unterschiedlichsten Ebenen. Premiere feierte in diesem Jahr die Praktikumswoche. Schülerinnen und Schülern bekommen bei diesem Modell die Möglichkeit, in den Sommerferien gleich mehrere Unternehmen und Berufszweige kennenzulernen. Für die teilnehmenden Jugendlichen wie Betriebe absolut unkompliziert, weil die Koordinierung des Angebots über eine eigens hierfür eingerichtete Plattform läuft. Weil die Premiere mit über 150 teilnehmenden Unternehmen ein echter Erfolg war, wird es auch in 2024 eine Praktikumswoche geben – eine tolle Chance, erste Kontakte zu knüpfen und praktische Einblicke in die Berufswelt zu erhalten.
Verändert hat sich in 2023 die Schullandschaft im Landkreis Harburg: Im März kam die langerwartete Genehmigung für die Einrichtung der IGS in Hanstedt und der IGS in Hollenstedt aus Hannover. Beide Schulen sind nach den Sommerferien erfolgreich gestartet und wachsen nun sukzessive an. Eine Bereicherung für das vielfältige Bildungsangebot im Landkreis.
Auch für die Kreisverwaltung selbst war 2023 ein Jahr der Veränderung. Mit dem Wechsel des Ersten Kreisrats Kai Uffelmann in die Geschäftsführung der kreiseigenen Krankenhäuser Buchholz und Winsen, dem Ruhestand von Christa Peter, Leiterin des Landratsbüros, und dem Ruhestand von Reiner Kaminski, Bereichsleiter Soziales, hat die Verwaltungsspitze ein neues Gesicht bekommen. Josef Nießen wurde zum Ersten Kreisrat gewählt, Annerose Tiedt und Ana Cristina Bröcking wurden zu Kreisrätinnen bestimmt. Neue Leiterin des Landratsbüros und beratendes Mitglied im Verwaltungsvorstand ist Meike Oetzmann.
Auch an der Spitze der Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft im Landkreis Harburg gab es eine Staffelübergabe: Geschäftsführer Daniel Robionek hat die Nachfolge von Joachim Thurmann übernommen, der in den Ruhestand gegangen ist. Die KWG blickt auf ein erfolgreiches Jahr zurück: Projekte in Winsen, Jesteburg und Tespe wurden fertiggestellt, weitere Vorhaben u.a. in Jesteburg, Hanstedt, Sieversen und Salzhausen befinden sich im Bau bzw. in Planung. Insgesamt hat die KWG seit ihrer Gründung 2017 über 200 Wohnungen fertiggestellt, weitere 250 sind in Bau oder Planung. Mit dem Neubau am Michael-Ende-Weg in Winsen ist die KWG erstmals auch im Bereich des sozial geförderten Wohnungsbaus aktiv.
Auch der Landkreis Harburg geht neue Wege – und zwar im Bereich des Naturschutzes. Seit November sind insgesamt vier Rangerinnen und Ranger in den Natur- und Landschaftsschutzgebieten rund um Heide und Elbe unterwegs. Sie sollen Besucherinnen und Besucher für Naturschutzbelange sensibilisieren und auf bestehende Regeln aufmerksam machen. Ein Pilotprojekt im Büsenbachtal hatte zuvor gezeigt, wie gut das funktionieren kann. Ebenfalls in Sachen Naturschutz unterwegs ist die Naturschutzstiftung des Landkreises Harburg – und das bereits seit 25 Jahren. In dieser Zeit ist es gelungen, viele hochwertige Flächen für den Schutz bedrohter Arten und Lebensräume zu entwickeln – insgesamt steht mehr als ein Drittel der 1.251 Quadratkilometer großen Landkreis-Fläche unter Natur- und Landschaftsschutz. Unsere Naturschutzstiftung ist dabei ebenso wie andere Stiftungen und Verbände ein wichtiger Partner.
Neben dem Natur- hat auch der Klimaschutz im Landkreis Harburg hohe Priorität. Gemeinsam mit unseren Kommunen habe ich eine Klimaschutz-Charta unterzeichnet mit dem Ziel, bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen. Die teilnehmenden Kommunen stellen jeweils einen eigenen Aktionsplan zu Klimaschutz und Klimawandelanpassung vor Ort auf. Um für die Kreisverwaltung konkrete Maßnahmen festzulegen, wurde die Projektgruppe Klimaneutrale Kreisverwaltung gegründet. Im Fokus stehen die eigenen Gebäude und der Fuhrpark.
Gleichzeitig werden wir im Landkreis Harburg weitere Flächen für Windenergie vorzuhalten haben – bis 2032 sind es 3,16 Prozent der Landkreisfläche. Derzeit entwickelt das Team der Raumplanung daher zusammen mit der Politik und Vertretern der Gemeindeverwaltungen einheitliche Kriterien zur Planung der Standorte.
Sie sehen – und dieses Fazit am Ende eines Jahres ist nicht neu: Wir stehen weiter vor vielen Herausforderungen. Und nicht in allen Bereichen hängt das Erreichen unserer Ziele nur von uns und unseren eigenen Bemühungen ab. Sie können sich in jedem Fall darauf verlassen, dass ich mich als Landrat mit all meiner Kraft weiter dafür einsetzen werde, den Landkreis Harburg in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Und ich bin trotz aller Schwierigkeiten überzeugt davon, dass unsere Voraussetzungen hierfür gut sind: Wir sind eine wachsende Wirtschaftsregion mit einem starken, erfolgreichen Mittelstand und steigenden Bevölkerungszahlen. Gemeinsam können wir dazu beitragen, hieraus das Beste zu machen.
Lassen Sie uns also mit Zuversicht in die Zukunft blicken. Ich wünsche Ihnen für das Jahr 2024 alles Gute, aber vor allem, dass sich die Hoffnung auf eine friedvollere Welt erfüllt.
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