Aufs Rad
von Carlo Eggeling am 04.03.2023Meine Woche
Experten
Fahrradflunder -- die Sprache und der Alltag gewinnen immer neue Aspekte. Lüneburg wünscht sich in Sachen Sattelmobilität so rasant zu sein wie Tour-de-France-Fahrer, wenn es von Alpe d'huez abwärts geht. Doch manch Speichen-Aktivist fühlt sich eher an den brennenden 14 Kilometer langen Anstieg erinnert. Wie auch immer. Mühe geben sich die Kollegen des Mobilitätsbereichs. Jetzt haben sie zwei Flundern samt Fahrradbügeln am Bahnhof angebracht.
Die Mitteilung aus dem Rathaus liest sich so: "Durch sie ermitteln die Mobilitäts-Expert:innen, wie groß der Bedarf an Fahrradabstellplätzen einer Stadt ist." Bis Herbst sollen die Dinger aus Holland -- um Kilometer und CO2 zu sparen hätte man sie bei einer Lüneburger Fachfirma wie Basys bauen lassen können -- nun sozusagen abfischen, wie intensiv der Pedalo sein Gefährt am Bahnhof abstellt.
Wenn wir eins brauchen sind es sichere Daten. Deshalb zeugt es von großem wissenschaftlichen Tiefgang so zu agieren. Noch einmal die Verlautbarung aus dem Rathaus: "In dem Zeitraum schauen die Mobilitäts-Mitarbeiter:innen regelmäßig, wie viele Fahrräder auf ihnen abgestellt werden. Wird die Flunder gut genutzt, ist der Bedarf an festen Fahrradabstellplätzen hoch und fließt in die Verkehrsplanung ein."
Es bestehen zwei Fahrrad-Parkhäuser am Bahnhof, über den Bau eines dritten denken Politik und Verwaltung seit Jahren nach. Jeder Laternenmast, Baum und Bügel wird von Velos umarmt. Das ist natürlich ein subjektiver Eindruck. Würden Sie darauf kommen, dass man/frau am liebsten die Tretmühle direkt am Gleis abstellen würde?
Wir brauchen Experten. Mir fällt der Schauspieler Peter Ustinov ein: "Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt explodiert, wird die Stimme eines Experten sein, der sagt: 'Das ist technisch unmöglich!'" Lüneburger Experten rufen schon heute: "Wir wissen, Wasser ist nass."
Andere Fachleute beeindrucken ebenfalls. In diesem Fall die Hamburger Grünen. "Um für viel mehr bezahlbare Wohnungen in Hamburg zu sorgen, fordert der Landesvorstand, dass in Zukunft jede zweite neu gebaute Wohnung gefördert wird", hat die Morgenpost berichtet. Das klingt erst einmal klasse: "Bei Bauvorhaben auf privaten Flächen soll der Anteil der geförderten Wohnungen von bisher 35 Prozent auf 50 Prozent erhöht werden: Eine Hälfte der Wohnungen soll gefördert und die andere frei finanziert werden."
Macht das Bauen teurer. Andreas Breitner vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) sieht dem Artikel zufolge "die Gefahr, dass Investoren lieber in Hamburgs Umland bauen und sich bei einer zu hohen Quote von Sozialwohnungen soziale Brennpunkte entwickeln könnten – so wie es mit einigen Quartieren in den 60er und 70er Jahren geschehen".
Der Umzug ins Hamburger Umland, den erleben wir schon. Die meisten Zuzüge hat Lüneburg im vergangenen Jahr aus Hamburg verzeichnet. Laut Stadt wechselten 777 Menschen von der Elbe an die Ilmenau, 618 zogen in Richtung Alster, macht am Ende ein Plus von 159. Das ist der höchste Wert, bei Meck-Pom liegt der Zuwachs gerade mal bei zehn.
Vermutlich haben sich die Hamburger Grünen mit den Lüneburger Parteifreunden abgestimmt. Zuzug ist hier schließlich kein Problem. Günstigen Wohnraum haben wir reichlich in petto am Wienebüttler Weg oder in Rettmer. Ach nee, das wurde ja blockiert beziehungsweise ganz gestoppt. Aber unter Freunden steht man sich bei, Grüngürtel, Kaltluftschneisen -- das kann alles hinten anstehen. Und die Verbindung nach Hamburg wird super, wenn der Fahrradschnellweg fertig ist.
Wer mit dem Zug fahren möchte, wenn der denn fährt und genug Platz bietet, kann sein Rad am Bahnhof abstellen. An der Fahrradflunder. Mehr geht nicht. Oder doch. Dafür haben wir zum Glück in der Verwaltung Mobilitäts-Expert:innen.
Ich wünsche ein angenehmes Wochenende. Gerne mal mit dem Rad: Schöne Strecke zum Testen über Oldershausen, bei Hoopte über die Elbe nach Zollenspieker, Oortkaten, Wilhelmsburg und dann bis zu den Landungsbrücken. Dreieinhalb bis vier Stunden. Pro Tour. Kein Problem, sage ich als Speichen-Experte. Carlo Eggeling
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